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Hermann Zapf 1918-2015

Juni 09, 2015 von Jürgen Siebert

Vergangenen Donnerstagabend, den 4. Juni, ist der deutsche Kalligraph und Schrift Designer Hermann Zapf im Alter von 96 Jahren in Darmstadt verstorben. Er schuf mehr als 200 Fonts, darunter die weltberühmten Palatino®, Aldus®, Optima®, ITC Zapf Chancery®, ITC Zapf Dingbats® und Zapfino® Schriften. Zapf gehörte zu den ersten Schriftgestaltern Designer , die sich für die Textverarbeitung mit dem Computer entschieden. Seine 1972 entworfene Marconi Antique war eine der ersten Fonts für den Computersatz. Hermann Zapf wurde mit zahlreichen Branchenpreisen ausgezeichnet, darunter die allererste TDC-Medaille im Jahr 1967 und der allererste SOTA-Award im Jahr 2003. Im März 2010 erhielt er das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Hermann Zapf wurde am 8. November 1918 in Nürnberg geboren. Er wollte Elektroingenieur werden, doch als Sohn eines aktiven Gewerkschafters, der mit der nationalsozialistischen Politik haderte, kam ihm das nicht in den Sinn. Deshalb nahm er eine Lehre als Retuscheur an, wo er seine Leidenschaft für die Kalligrafie entdeckte. Zapf lernte den legendären Typografen Rudolf Koch aus Offenbach kennen und studierte in seiner Freizeit die Bücher des britischen Kollegen Edward Johnston. 1938 zog Zapf nach Frankfurt, wo er sich als Schriftgestalter und Kalligraph selbstständig machte. Sechs Monate später entwarf er seine erste vollständige Schrift, die gebrochene Schrift Gilgengart, für den Graveur August Rosenberger, der seit 1927 für die D. Stempel AG Foundry seit 1927 arbeitete.

Originalzeichnungen für Gilgengart Fraktur von Hermann Zapf, datiert auf den 19. März 1939, mit einer Reihe von Varianten in Großbuchstaben D am unteren Rand der Seite.
Originalzeichnungen für Gilgengart Fraktur von Hermann Zapf, datiert auf den 19. März 1939, mit einer Reihe von Varianten in Großbuchstaben D am unteren Rand der Seite.

Im April 1939 wurde Hermann Zapf zum Reichsarbeitsdienst eingezogen, um mit Tausenden von Arbeitern den 630 km langen Westwall ("Siegfriedlinie") gegen Frankreich zu verstärken. Da er der zermürbenden Arbeit körperlich nicht gewachsen war, versetzten die Offiziere Hermann Zapf in die Schreibstube, wo er Lagerprotokolle in Kurrentschrift schrieb. Als im September 1939 seine gesamte Arbeitsgruppe zur Wehrmacht eingezogen wurde, wurde Zapf wegen gesundheitlicher Probleme in den Ruhestand versetzt. Das Kommando seiner Kompanie versetzte ihn als Kartograph nach Bordeaux in Frankreich, wo er geheime Karten für den Einmarsch in Spanien erstellen musste. Kurz vor Kriegsende geriet Hermann Zapf in französische Gefangenschaft, wo er gut behandelt wurde. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes durfte er nur vier Wochen nach dem Waffenstillstand nach Nürnberg zurückkehren.

Ende 1946 erhielt Hermann Zapf die Nachricht, dass die D. Stempel AG Foundry ihm eine Stelle anbot. So kehrte er nach Frankfurt zurück, wo er von 1947 bis 1956 künstlerischer Leiter für Briefmarken wurde. Von 1948 bis 1950 war er zudem Lehrbeauftragter für Typografie an der heutigen Hochschule für Gestaltung (HfG) in Offenbach. In dieser Zeit entwarf Zapf ein Dutzend Briefmarken für die Deutsche Post, unter anderem für die Serie "Helfer der Menschheit", die ersten Wohlstandsmarken der Nachkriegs-Bundesrepublik.

Vier Briefmarken aus der 16-teiligen Serie "Helfer der Menschheit" (1949-1953), entworfen von Hermann Zapf.

Schnell wurde Hermann Zapfs Kalligrafie immer gefragter. In den frühen 1950er Jahren arbeitete er als Grafiker und Buchtypograf für Verlage wie Suhrkamp, Insel (auch Insel-Bücherei), die Büchergilde Gutenberg oder den Carl Hanser Verlag. Auch Werbeagenturen wollten seine Schriftzüge für Anzeigen und Verpackungen, doch Zapf arbeitete aus Prinzip nie für die Werbung und blieb seiner Haltung bis zu seinem Tod treu.

Anlässlich des 200. Geburtstages des deutschen Schriftstellers und Staatsmannes Goethe erschien 1949 in Frankfurt das Buch Von der dreifachen Ehrfurcht - Gedanken Goethes über Erziehung zu edlem Menschentum. Typografie-Fans begeisterten sich für die Publikation, da sie in einem Testguss der Palatino, der neuen Schrift von Hermann Zapf, gesetzt war. Im folgenden Jahr wurde die Schrift offiziell veröffentlicht, sowohl für den Handsatz als auch für den Linotype-Maschinensatz. Die kursiven und fetten Schriften folgten 1951. Das Mainzer Gutenberg-Jahrbuch gehörte zu den ersten Anwendern der Palatino und machte sie populär. Der internationale Durchbruch der Palatino kam 1956, als die Standard Oil Company sie für ihren Jahresbericht verwendete.

Die erste Verwendung der Palatino, gedruckt 1949 mit einem Probeabdruck der neuen Schrift in "Von der dreifachen Ehrfurcht - Gedanken Goethes über Erziehung zu edlem Menschentum", einer Privatausgabe der D. Stempel AG type Foundry. © typografie.info
Die erste Verwendung der Palatino, gedruckt 1949 mit einem Probeabdruck der neuen Schrift in "Von der dreifachen Ehrfurcht - Gedanken Goethes über Erziehung zu edlem Menschentum", einer Privatausgabe der D. Stempel AG type Foundry. © typografie.info

Im Gefolge der Palatino kam ein weiterer Bestseller auf den Markt - die ausgestellte humanistische serifenlose Optima. So wird ihre eigentümliche Geschichte auf der Website The 100 Best Schriften of All Time Webseite beschrieben:

"In der Franziskaner-Basilika di Santa Croce in Florenz betrachtete am 3. Oktober 1950 ein Besucher die 276 Grabsteine mit ganz anderen Augen als die anderen Touristen. Die großen Namen von Michelangelo, Rossini, Galilei und Machiavelli faszinierten ihn weniger als die Vielfalt der in den Stein gemeißelten Schriftzüge. Da er sein Notizbuch im Hotel zurückgelassen hatte, skizzierte Hermann Zapf ein paar Buchstaben auf einem 1000-Lire-Schein.

Zurück in Frankfurt wurden die Skizzen zum Durchbruch in einem Schriftprojekt, mit dem Zapf vom Stempel Verlag beauftragt worden war Foundrybeauftragte: der Entwurf einer funktionalen Schrift zwischen einer serifenlosen Schrift und einer Renaissance-Roman Font. Nach gründlichen Lesbarkeitstests wurden die endgültigen Zeichnungen 1952 fertiggestellt und August Rosenberger schnitt die Schrift, die zwei Jahre später unter dem Namen Optima veröffentlicht wurde.

Ihr ebenso zartes wie klares Erscheinungsbild war ein Novum und machte sie zu einer beliebten Werbefigur, vor allem in Verbindung mit Parfüms und Luxusgütern. 50 Jahre nach ihrer Premiere wurde die Font unter dem Namen Optima Nova umfassend überarbeitet. Ohne technische Einschränkungen oder Kompromisse schufen Hermann Zapf und Akira Kobayashi eine erweiterte Font Familie, die schließlich eine echte Kursivschrift Font, Kapitälchen, Textfiguren und eine Titelschrift Font mit aufwendigen Ligaturen umfasste."

Hermann Zapf hielt das Grundkonzept für Optima 1950 in Florenz auf einem 1000-Lira-Schein fest. © Monotype
Hermann Zapf hielt das Grundkonzept für Optima 1950 in Florenz auf einem 1000-Lira-Schein fest. © Monotype

Seit Anfang der 1960er Jahre beschäftigte sich Hermann Zapf mit der Verbindung von Typografie und Computersoftware. Dies brachte ihm eine Mitgliedschaft im International Center for the Typographic Arts (ICTA) in New York ein, das von dem amerikanischen Typografen Aaron Burns und dem Schweizer Typografen Emil Ruder gegründet wurde. In Deutschland wurden seine Ideen für den computergestützten Schriftsatz damals allerdings noch nicht sehr ernst genommen. Nach einem Vortrag in den USA im Jahr 1964 zeigte die University of Texas in Austin Interesse an Zapf und bot ihm eine Professur an. Doch er lehnte ab, weil seine Frau Gudrun Zapf-von Hesse zögerte, in die USA zu ziehen.

Im Jahr 1972 nahm er einen Lehrstuhl für Typografie an der Technischen Universität Darmstadt an, den er bis 1981 innehatte. 1976 erhielt er vom Rochester Institute of Technology einen Ruf auf eine Professur für computergestützte Typografie, die erste weltweit. Er nahm das Angebot an und lehrte von 1977 bis 1987 abwechselnd in Darmstadt und Rochester sowie am College of Graphic Arts and Photography.

Zusammen mit Aaron Burns und Herb Lubalin, den Gründern der International Schrift Corporation (ITC), baute Hermann Zapf in New York die Firma Design Processing International Inc. auf. Ihr Ziel war es, Programme für typografische Strukturen zu entwickeln, die von Laien bedient werden konnten. Das Unternehmen bestand bis 1986. Nach dem Tod von Lubalin gründete Zapf 1987 die Firma Zapf, Burns & Company, die bis 1991 existierte.

In einer weiteren Zusammenarbeit mit Donald Knuth, den er 1971 kennenlernte, verfolgte Hermann Zapf seine Faszination für den computergestützten Schriftsatz. Er beteiligte sich an der Entwicklung von Fonts für das von Knuth entwickelte Schriftsatzprogramm TeX. Aus dieser Zusammenarbeit ging die wissenschaftliche Font Familie Euler hervor, die für die American Mathematical Society erstellt wurde. Zusammen mit Knuth veröffentlichte Zapf 1989 die Dokumentation zu dieser Font Familie unter dem Titel AMS Euler - A New Schrift for Mathematics. Sie enthält neben dem lateinischen Alphabet auch eine griechische Version, eine Fraktur und eine Kursivschrift.

Beispiel eines wissenschaftlichen Textsatzes in Palatino in Kombination mit AMS Euler, beide entworfen von Hermann Zapf.
Beispiel eines wissenschaftlichen Textsatzes in Palatino in Kombination mit AMS Euler, beide entworfen von Hermann Zapf.

Zurück in Deutschland entwickelte Zapf in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Schrift- und Technologieunternehmen URW Software & Type GmbH die Computersoftware "hz-program". Das "hz-program" ermöglichte es, die mikrotypografischen Feinheiten im automatisch gesetzten Text zu verbessern, einschließlich Kerning und Buchstabenabstand von Textabschnitten. Die zugrunde liegenden Algorithmen wurden später von Adobe für InDesign lizenziert. Heute steuert es die Einstellung "Optisches Kerning" in der Zeichenpalette, die die eingebauten Metriken in einer Font aufhebt und eine Notlösung für schlecht unterschnittene Fonts bietet.

In den vergangenen 25 Jahren widmete sich Hermann Zapf zusammen mit Linotype in Bad Homburg, dem Verlag seiner Schriften, dem Erbe seines Werks. Er griff seine Bestseller Optima und Palatino wieder auf, überarbeitete sie umfassend für das zeitgenössische digitale Publishing und wagte sich sogar an Experimente im Schriftdesign wie die Palatino Sans, die 2006 erschien. Die letzte große Veröffentlichung war die Originalschrift Zapfino, die aus einer Zusammenarbeit mit dem kalifornischen Schriftdesigner David Siegel in den frühen 1990er Jahren hervorging.

Fast 12 Monate lang arbeiteten Zapf und Siegel an der ursprünglichen Version von Zapfino, die auf der Federkiel-Kalligraphie von Zapf aus dem Jahr 1944 basiert. 1993 hatte Siegel an der Stanford University die Idee für ein Chaosprogramm. Es sollte einen großen Vorrat an alternativen Zeichenformen nutzen, um eine lebendige, menschliche Schrift zu erzeugen. Kurz vor der Fertigstellung des Projekts zog sich David Siegel aus persönlichen Gründen zurück.

Im Jahr 1998 erinnerte sich Hermann Zapf an diese Manuskriptexperimente, als er bei Linotype eine Präsentation der neuen TrueType GX Font Technologie von Apple besuchte, die Zeichen modulieren konnte. Aus GX wurde später AAT (Apple Erweiterte Typografie), eine Komponente des Betriebssystems Mac OS X. Als es veröffentlicht wurde, kam es mit neuen Fonts, einschließlich eines aktualisierten Zapfino, um die hochentwickelten automatischen Ligaturen und kontextabhängigen Zeichenersetzungen zu demonstrieren. Dank der OpenType-Technologie kann Zapfino auch heute noch auf vielen Computern - plattformübergreifend und darüber hinaus - seine beeindruckenden typografischen Fähigkeiten unter Beweis stellen.

Zapfino war auch das allerletzte Schriftdesign-Projekt, an dem Hermann Zapf beteiligt war, nämlich die Übertragung dieser kursiven Stil in die arabische Schrift. Die libanesische Schriftgestalterin und Arabisch-Lesbarkeitsspezialistin Nadine Chahine nahm die Herausforderung an und fand im Laufe von Monaten in harter Arbeit das empfindliche Gleichgewicht und den Kompromiss zwischen der rechtsgerichteten lateinischen Kursivschrift und der linksgerichteten arabischen Schrift - unter dem wachsamen und interessierten Auge des ursprünglichen Designers Hermann Zapf. Nadine Chahine hat das Projekt kürzlich bei einem Creative Morning in Berlin vorgestellt - siehe den ausführlichen Blog-Beitrag The Making of Zapfino Arabic und einen Video-Mitschnitt ihrer 20-minütigen Präsentation A Question of Slanted Writing.

Das letzte Schrift Projekt, an dem Hermann Zapf mitgewirkt hat, und eines der letzten Fotos von ihm - die libanesische Schriftgestalterin und Arabisch-Lesbarkeitsspezialistin Nadine Chahine bespricht ihr Konzept für Zapfino Arabic bei einem Bier in seinem Darmstädter Studio. © Monotype
Das letzte Schrift Projekt, an dem Hermann Zapf mitgewirkt hat, und eines der letzten Fotos von ihm - die libanesische Schriftgestalterin und Arabisch-Lesbarkeitsspezialistin Nadine Chahine bespricht ihr Konzept für Zapfino Arabic bei einem Bier in seinem Darmstädter Studio. © Monotype

Hermann Zapf wird von seiner Witwe Gudrun Zapf-von Hesse überlebt, mit der er seit 1951 verheiratet war. Die gelernte Fachbuchbinderin und gefeierte Font Gestalterin ist heute 97 Jahre alt. Von 1946 bis 1954 unterrichtete sie den Studiengang Typografie an der Städelschule in Frankfurt und betrieb gleichzeitig eine eigene Buchbinderei in Frankfurt (1946-1955). Sie entwarf zahlreiche Schriften für die deutschen Schriften Foundrys D. Stempel AG, H. Berthold AG und URW in Hamburg sowie für Kunden in den USA, zum Beispiel für Hallmark in Kansas City und Bitstream in Cambridge.

Gudrun Zapf-von Hesse ist in Deutschland und in den Vereinigten Staaten bekannt. Sie erhielt 1991 den Frederic W. Goudy Award, der mit dem deutschen Gutenberg-Preis vergleichbar ist und als höchste amerikanische Auszeichnung auf dem Gebiet der Typografie und Buchkunst gilt. Im Jahr 2001 ehrte das Zapfest, eine Ausstellung über Kalligrafie und Schriftgestaltung in der San Francisco Public Library, das Werk von ihr und ihrem Mann, und der Bürgermeister von San Francisco, Willie Brown, rief den 2. September zum Hermann- und Gudrun-Zapf-Tag aus.

Kondolenzseite In Erinnerung an Prof. Hermann Zapf

Hermann Zapf & Gudrun Zapf-von Hessen
Hermann Zapf & Gudrun Zapf-von Hessen

Anderswo

Quellen.
Wikipedia, Linotype.com, The 100 Best Schriften of All Time, typografie.info, Jürgen Röhrscheid, Creative Mornings Berlin.

Hinweis zur Markenzugehörigkeit
Aldus, Optima, Palatino, ITC Zapf Chancery, Zapf Dingbats und Zapfino sind Marken von Monotype Imaging Inc., die beim U.S. Patent and Trademark Office eingetragen sind und in bestimmten anderen Ländern eingetragen sein können.